Lothar Scholz bei der arbeit

Lothar Scholz

Ein Baukeramiker und Maler mit vielen Facetten wird 75.

Eine Retrospektive seines Wirkens und Schaffens.

von Klaus Schiller, geschrieben für den 2010 herausgegebenen Werkkatalog

Lothar Scholz wurde 1935 in Boizenburg geboren. Vater war Musiker, die Mutter arbeitete viele Jahre in der Fliesenfabrik. Er hatte fünf Geschwister.

Von Kind an war es sein sehnlichster Wunsch einmal "Kunstmaler" zu werden.

1950 nahm er eine Lehre als Keramformer in der Wand- und Bodenplattenfabrik in Boizenburg auf. Schon ein Jahr später begann er mit dem Studium an der Fachschule für angewandte Kunst Wismar (später Heiligendamm), Fachrichtung Baukeramik bei Irmfried Liebscher bis 1954 und setzte das Studium anschließend an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Berlin - Weißensee, Fachrichtung Baukeramik bei Prof. Wolfgang Henze und Prof. Rudolf Kaiser fort, das er als Diplombaukeramiker 1958 abschloß.

Im gleichen Jahr gründete Lothar Scholz auf Wunsch des Stadtbaudirektors von Berlin, Prof. Erhard Gieske, im VEB Fliesen und Ofenbau Berlin eine Abteilung für Mosaik und Baugestaltung mit Fliesen (seit 1961 beim VEB Stuck und Naturstein Berlin) und leitete sie erfolgreich bis 1966. Zahlreiche Fassaden und Raumgestaltungen für unterschiedlichste Einrichtungen, fast ausschließlich im öffentlichen Bereich, wurden entworfen und ausgeführt, wie z.B. die Gesamtgestaltung des U- und S-Bahnhofes Berlin-Alexanderplatz, Fassaden Unter den Linden, Klinikum Berlin-Buch u.v.a.. Auch Ausführungsprojekte für freiberufliche Künstler, wie der 900 m² große Mosaikfries am Haus des Lehrers am Alexanderplatz nach Entwürfen von Prof. Walter Womacka 1964, waren für ihn eine besondere Herausforderung.

Lothar Scholz wurde 1965 Mitglied des Verbandes Bildender Künstler der DDR

1967 gründete er sein eigenes Atelier mit keramischen Werkstätten in Berlin-Lichtenberg und arbeitet seit dem freischaffend. Damit waren für ihn jetzt ideale Voraussetzungen geschaffen, seine Neigungen zur Malerei, seine keramischen Fachkenntnisse und Fertigkeiten mit seinen gemachten Erfahrungen am Bau zu verschmelzen. Ein Quell, aus dem er von nun an vermehrt schöpfen konnte. Er widmete sich jetzt vorrangig der objektgebundenen Fliesenmalerei, schuf aber außerdem großflächige Außenwandmalereien in Acrylfarben und einige künstlerisch gestaltete Brunnen in unterschiedlichen Materialien. 

Mosaikarbeiten wurden aus Zeit- und Kostengründen seltener. 

An etwa 600 Bauwerken, vorwiegend in der DDR, hat Lothar Scholz gestalterisch mitgewirkt, darunter Hotels, Gaststätten, Schulen, Kindergärten, Läden und Shop-Centern, Schwimmhallen, Verkehrseinrichtungen, Regierungs- und Militärobjekte, Kliniken, eine Synagoge, Strafvollzugsanstalten, im Schiffbau und in privaten Wohnbereichen. 

Lothar Scholz übernahm auch Ausführungen nach Entwürfen befreundeter Künstlerkollegen, wie die wohl größten vier Außenwandbilder Europas in Halle-Neustadt nach Entwürfen von René Graetz und Prof. José Renau (1969-1975 zusammen ca. 1500 m²).

Für diese umfangreiche Arbeit stellte ihm die Boizenburger Fliesenfabrik kostenlos Arbeitsräume und Brennkapazität zur Verfügung. 

In der gleichen Zeit wurden die Wandbilder am Energiekombinat Halle (ca. 160 m²), das Wandbild "Schule Boizenburg" (112 m²) und das Wandbild "Haus des Reisens Berlin" (ca. 20 m²) angefertigt. 

Die enge Beziehung zur Fliesenfabrik seit 1950 blieb bis heute erhalten. 

1983 wurde Lothar Scholz in den Beirat für Stadtgestaltung des Rates des Stadtbezirkes Berlin - Lichtenberg berufen, dessen Leitung er bis 1989 innehatte. In diesem Kollektiv wurden Kunst- und Gestaltungskonzeptionen für Neubaugebiete erarbeitet.

Seit 1981 arbeitet Lothar Scholz mit seiner Tochter Lorén Scholz zusammen. An unzähligen Objekten hat sie, von Hause aus talentiert, sicherer und selbständiger mitgewirkt. So sind Wissen und Erfahrung um die Fliesenkunst weitergereicht und für Fortführung gesorgt.

1988 verlegte Lothar Scholz mit dem Erwerb eines ehemaligen bäuerlichen Anwesens seine Wohn- und Wirkungsstätte nach Teldau-Vorderhagen in der Nähe Boizenburgs.

In der ruhigen Landschaft der Elbe- Sudeniederung mit ihren weitläufigen Wiesen und Wasserläufen findet er seine Inspiration und Motive für mecklenburgische Fliesenmalerei und für stille Landschaften in Pastell- und Ölmalerei.

Die Werkstätten in Berlin wurden von Lorén Scholz bis 1990 weitergeführt. Seit 2007 betreibt sie eine eigene Werkstatt mit Laden in der Kaskelstraße in Berlin-Lichtenberg. 

Nach der Wiedervereinigung war für einige Zeit ostdeutsche Kunst nicht mehr gefragt. Aber musste man sie deshalb auch gleich zerstören? Wiederholt sich die Geschichte?

Bis heute wurden allein in Berlin mindestens 25 größere baugebundene Arbeiten von Lothar Scholz vernichtet. Dazu ein Bericht der Berliner Zeitung vom 16. März 1994.


Zeitungsartikel BZ 1994

Wunden können verheilen. Die Narben aber bleiben. 

Die über Jahrzehnte gewachsene Zusammenarbeit mit Architekten wie Hannes Bugatzky, Gerd Pieper, Ernst Swora, Heinz Gaffunder, Dieter Rühle und anderen endete mit der Auflösung der großen volkseigenen Bau- und Projektierungsbüros nach der Wende.

Boten zu DDR-Zeiten fast ausschließlich gesellschaftliche Einrichtungen aller Art Arbeitsfelder für sein künstlerisches Wirken, änderte sich dies nach der Wende gründlich.

Jetzt dominieren Aufgaben im privaten und zunehmend im denkmalpflegerischen Bereich mit der Nachfertigung historischer Fliesen wie z.B. für das Friedericianum in Schwerin, das Kaiser-Friedrich-Bad in Wiesbaden, die HASPA und das Schifffahrtshaus in Hamburg oder das Büropalais Eger in Berlin und andere. Alles Aufgaben, die eine hohe keramfachliche Erfahrung und künstlerisches Einfühlungsvermögen erfordern, um wertvolles Kulturgut zu erhalten. Eine Aufgabe, der sich auch und vor allem Lorén Scholz widmet, die sich außerdem der kunsthandwerklichen Gefäßkeramik zugewandt - und längst eine bekannte Handschrift in der Bemalung gefunden hat.

Eigenschöpferische Arbeiten haben jedoch nach wie vor Vorrang, wie das Wandbild in der Inselklinik Heringsdorf, Wandbilder in der Villa "Marie" in Wiesbaden oder die großen Außenwandbilder in Boizenburg und Zarrentin.

Die Nähe zu Boizenburg und zur Boizenburger Fliesenfabrik ist Lothar Scholz wichtig geblieben und gewann vor allem seit seiner Niederlassung in Vorderhagen eine neue Bedeutung.

Die Gestaltung moderner Fliesen unter Rückbesinnung auf keramästhetische Werte der frühindustriellen Fliesen und deren besonderem Charme mit heutiger, hochmoderner Technologie zu produzieren, weckte sein Interesse.

Aus diesem Zusammenhang resultierte die Kenntnis neuer Industrie-Engoben, die zunehmend als Arbeitsmittel auch für seine freien Malereien Verwendung finden. Da Lothar Scholz alle Farbglasuren und gefärbten Engoben selbst entwickelt und herstellt, steht mittlerweile eine Rezeptpalette von mehreren Tausend zur Verfügung.

1995 war Lothar Scholz Mitbegründer des Träger- und Fördervereines Erstes Deutsches Fliesenmuseum Boizenburg e.V. und er ist dessen Vorsitzender. Dieses, 1998 eröffnete Museum widmet sich vorrangig der Fliesenkultur der frühindustriellen Fertigung, einer Zeitspanne von etwa 1860 bis 1930. Es hat sich in kürzester Zeit zu einer international anerkannten Einrichtung entwickelt und wird ehrenamtlich geführt.

Boizenburg, seine Heimatstadt, hatte an der Geschichte der industriellen Fliesenfabrikation einen bedeutenden Anteil. 1903 gegründet, beging die Boizenburger Fliesenfabrik ihr 100-jähriges Betriebsjubiläum.

Die Stadt Boizenburg erhielt nicht zuletzt auf Initiative von Lothar Scholz den Zusatznamen "Fliesenstadt" Boizenburg. Um dies in der kleinen Stadt auch visuell wahrnehmbar zu machen, entstehen nach und nach, behutsam in die Altstadtstrukturen integriert, reizvolle Fliesenvignetten und -bilder an Fassaden und in öffentlichen Räumen und "rechtfertigen" auch auf diese Weise den Namen "Fliesenstadt Boizenburg".

So schließt sich auf wunderbare Weise für Lothar Scholz ein beruflicher Kreis, der 1950 in der Fliesenfabrik begann, aber sicher noch nicht zu Ende ist.

Rastlos und immer aufs Neue fasziniert und getrieben von den Urelementen Erde, besser wohl Ton, und Feuer, denen die Keramik ihre Entstehung verdankt, gilt seine nie erlahmende Leidenschaft, den flächigen Kleinoden, die er meisterlich zu gestalten versteht, ihnen neue Formen und Oberflächen verleiht, mit brillianten Farben und Glasurüberzügen versieht und sie zu imposanten Wandtableaus komponiert.

Im Jahre 2001 erhielt Lothar Scholz den Ludwig-Reinhard-Kulturpreis des Landkreises Ludwigslust für sein engagiertes und schöpferisches Wirken im Kulturleben.

Der vorliegende Katalog zeigt in eindrucksvoller Weise den Facettenreichtum einer bisher über 50-jährigen Schaffensperiode von Lothar Scholz.

Viele Objekte und Werke konnten keine Erwähnung finden. Sie würden den Rahmen eines Kataloges sprengen.

Auch konnte nicht lückenlos auf eine qualitativ hochwertige fotografische Dokumentation zurück gegriffen werden.

Die Wiedergabe von Beispielen der Fassadengestaltung und der freien Malerei sind ein untrennbarer und wesentlicher Bestandteil seines Gesamtschaffens und hierfür unverzichtbar.

Mögen hoffentlich unbeschadet die von Lothar Scholz geschaffenen Kunstwerke noch lange "in situ" erhalten bleiben und ihre Betrachter erfreuen.

 

Lorén Scholz

Tochter Lorén Scholz betreibt eine Keramik-Werkstatt für Gefäßkunst, Kleinplastik und Fliesenmalerei.


Keramkik von Lorén Scholz